Halbzeit

Genau heute vor einem Monat bzw. vier Wochen war der Abflug nach Palma (hätte ich man Schweinehund zu Hause gelassen, der war heute wieder kräftig am Meckern). Allerspätestens in einem Monat will ich wieder zu Hause sein. Somit Halbzeit und ein Zwischenfazit.

Doch zunächst zur heutigen Tour ab Tours (Brüller, oder?). Der Wind hat ein wenig nachgelassen – allerdings immer noch verlässlich von vorne. Die Erfahrung von gestern mit dem Loireradweg haben sich wiederholt: einen erheblichen Teil der Strecke fährt man nicht am Fluss. Was sehr schade ist, denn es ist nicht ein breiter, begradigter, eher langweiliger Strom – stattdessen sieht man viele Inseln, Sandbänke mit Vogelkolonien und viel Bewuchs am Rand.

Dieser Blick ist aber oft dem Autofahrer vorbehalten. Die Radfahrer werden ins durchaus hügelige Hinterland geschickt und ahnen nur etwas vom Fluss. Freie Felder mit Wind von vorne kann man aber auch woanders bekommen. Einmal bin ich wieder drauf reingefallen und dann auf die Straße ausgewichen. Da sieht man deutlich mehr, hat aber eben auch den Autoverkehr. Heute durch den Sonntag etwas mehr, aber noch erträglich. Geht der Radweg am Fluss entlang, ist das superschön.

Loire

Insofern bin ich hin- und hergerissen, was diesen Weg angeht. Toller Fluss, die Schlösser und Brücken, die in den Fels gehauenen Weinkeller, die Dörfer – das hat alles etwas. Aber Radwanderwege am Fluss hatte ich schon deutlich schönere.

Seit heute fahre ich auch auf zwei Fernwegen gleichzeitig. Einmal der schon erwähnte EuroVelo Nr. 6 („Rivers Route“) vom Atlantik bis ans Schwarze Meer und nun auch auf dem EuroVelo Nr. 3 („Pilgrims Route“), der von Trondheim bis nach La Coruña führt (aus Versehen im ersten Versuch „La Corona“ geschrieben – was das Virus so mit einem macht). Zwischen Tour und Orléans sind sie deckungsgleich.

Angekommen bin ich heute nach 89,7 km in Mer, ca. 4 km neben der Route in einem B&B mit eigener Terrasse und sitze jetzt in der Sonne.

Begeisterung an der Strecke anlässlich der Halbzeit heute bei meiner Einfahrt in Blois 😎🇫🇷🚲
(vielleicht war es auch nur wegen eines Umzugs, der ein paar Minuten später startete 😳).

Zum Zwischenfazit:

Gefahren bin ich inzwischen 1661,5 Kilometer vorwärts und ca. 7.600 Meter aufwärts. Inklusive Pausen war ich 115 Stunden unterwegs und habe (rechnerisch) 27.000 Kalorien verbraucht.

Gegenüber der ursprünglichen Planung habe ich einen deutlich größeren Bogen gemacht. Bordeaux, die Atlantikküste, Nantes und die Loire waren nicht vorgesehen. Die Loire hätte ich bei Tours gekreuzt auf dem Weg nach Paris.

Mit rund 3.000 km habe ich gerechnet. Würde ich heute den allerkürzesten Weg nehmen, hätte ich noch rund 1.150 km. Die geplante Route wird wohl eher noch 1.400 bis 1.600 km sein – das hängt stark vom Wetter ab.

Bisher habe ich beim Wetter absolut Glück gehabt. Bis auf ein paar wirklich wenige Tropfen bin ich trocken geblieben. Zwei echte Regentage waren dabei – und ich im Hotel in Toulouse. Und das, obwohl mich einige Regenwolken in dieser Zeit echt verfolgt haben. Möge es bitte so trocken bleiben.

Der Vorteil, dass alles sehr beschausam und noch quasi ohne Touristen ist (das ändert sich gerade von Woche zu Woche) ist auch der Nachteil, was die Übernachtungen angeht. Einfach so auf einen Campingplatz fahren und einen Platz fürs Zelt wird sich schon finden – leider nein. Und außerhalb der Städte verlässliche (und im gedachten Budget liegende) Übernachtungsmöglichkeiten zu finden ist auch schwer. Oft bin ich gezwungen, die Strecke nach den Möglichkeiten auszurichten.

Zu kurze Stecken mag ich auch nicht fahren. Zum einen muss ich rein rechnerisch pro Tag eben auch mindestens 60 km zurücklegen und Zwischenaufenthalte eben auch „erarbeiten“. Zum anderen, ist es bei der Übernachtungssituation für mich passender, etwas längere Strecken zu fahren und dann an einigen Orten etwas länger bleiben zu können. Eigentlich komme ich Nachmittags immer noch so rechtzeitig an, dass ich mir das Ziel anschauen kann.

Trotzdem ist es für mich so perfekt. Die Wege ruhig und beschaulich mit dem Nachteil der Übernachtung gefällt mir besser als umgekehrt. Wäre das Wetter derzeit kalt und ungemütlich, würde ich es vielleicht anders sehen.

Perfekt auch der „geistige Reset“. Den ganzen Tag Natur und als größte Herausforderungen die Navigation, die eigene Versorgung, einen Schlafplatz zu haben und manchmal die letzten Kilometer am Nachmittag noch zu schaffen – das wirkt. Ja, manchmal fällt es extrem schwer, morgens alles zusammenzupacken und die müden Knochen in die Radlersachen zu stecken. Schweinehund ist massiv am Meckern und hat so viele verlockende Vorschläge. Habe ich den Punkt erst einmal überwunden und sitze auf dem Rad – selbst Schweinehund ist dann zufrieden. Und mit jeder Woche fällt der Reset intensiver aus.

Trotzdem kommt mit zunehmender Annäherung an die Heimat auch eine Vorfreude auf – verbunden mit der Botschaft an Schweinehund „den Rest schaffen wir jetzt auch noch“ (wenn der April nicht komplett verregnet).

Danke übrigens fürs regelmäßige Mitlesen, vielleicht mitfiebern, liken und kommentieren – das motiviert auch.

Stefan

8 Gedanken zu „Halbzeit

  1. Hi Stefan, als wir da vor ein paar Jahren fuhren – in anderer Richtung, mit Rückenwind zum Sommerende bei bestem Wetter – haben wir immer nur 35-70km pro Tag gemacht und mehr die Schlösser, Landschaft und Kulinarik genossen. Und sogar mal in der Loire gebadet, obgleich das verboten ist. Für uns war das eher eine Genussreise und hat riesig Spaß gemacht.

    So schafft nicht nur das Kilometerreißen, sondern auch das Schlendern seine Form von Erholung – beides hat seinen Reiz und beides funktioniert. Dabei scheint mir Deine Art allerdings etwas asketischer zu sein. Kein Wunder, dass Dir der Schweinehund immer so eng auf der Spur ist 😉
    Weiterhin viel Spaß!!!

    1. Hallo Peter, ja – ich kann mir die von Dir beschriebene Form auch sehr gut vorstellen. Wären die Restaurants an der Stecke geöffnet, würde ich wahrscheinlich schon die Mittagspause deutlich ausdehnen und hätte Schwierigkeiten auf die Kilometer zu kommen. Das Baden in der Loire hatte ich jetzt noch gar nicht in Erwägung gezogen 😂
      Alles wohl auch eine Frage der Jahreszeit.

  2. in Blois waren ja echt viele Menschen auf der Straße, solche Bilder kennt man nur noch von vor Corona.
    Deine Halbzeitbilanz ist ja echt positiv, da hoffe ich das die zweite Hälfte auch so gut verläuft und Dir der April da wettertechnisch keinen Strich durch die Rechnung macht.

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